Sonntag, 7. August 2016

"Einer der Auszog, die Welt zu verbessern" - Interview zum Ehrentag des Alfred Pfeifers




Facettenreich kann man das Leben von Alfred Pfeifer wohl bezeichnen (s. ältere Posts).
Alle, die ihn kennen, wissen, dass es eines groesseren Unterfangens bedarf ihn zu treffen. Wir haben es geschafft ihn tief im afrikanischen Busch aufzustoebern. Aus diesem Grund gibt der kürzlich gefeierte Jahrestag Anlass für ein ernsthaftes Gespräch mit dem ugandischen Bayer oder doch besser bayerischer Ugander?
(Der Interviewer wird im Folgenden nur mit "N." abgekürzt.)

Ein- und Ausblicke der besonderen Art...

N:  Was bedeutet die Abkürzung NGO für dich persönlich? (Die Langform ist nicht gemeint)

Alfred: Spontan faellt mir dazu ein: "Nicht-Gewinn-Orientiert".
Allerdings habe ich mehr und mehr das Gefuehl, dass bei den grossen "Nicht-Regierungs-Organisationen" das Streben nach Gewinn zunimmt. Nicht in dem Sinne von "Geld machen", sondern von "Geld eintreiben". Es ist auch hier ein Geschäft mit zunehmender Aggressivität geworden.
Wenn irgendwo auf der Welt eine Katastrophe geschieht, beginnt ein unvorstellbarer Wettlauf mit der Zeit um als Erster vor Ort zu sein und in Zusammenarbeit mit einem TV Sender live berichten zu können. Natuerlich verstehe ich schon, dass man erst Geld braucht um Helfen zu koennen.Aber ich wuerde mir mehr Aufklaerung wuenschen was genau mit diesem Geld passiert.
Es gibt ein interessantes Buch darueber: "Hilfe, die Helfer kommen".
Ein Freund von mir hat kuerzlich von einem NGO-Markt gesprochen. Auf einem Markt herrschen immer die gleichen Gesetze, egal, ob humanitär oder nicht.


N: Kommen wir mal auf dich zu sprechen. Kürzlich hattest du Geburtstag. "Schon wieder ein Jahr älter", denkt man doch ab einem gewissen Alter. Mit 45 Jahren wahrscheinlich noch nicht. Blicken wir aber mal in die Zukunft. Wie stellst du dir dein 55. Lebensjahr vor? ;-)

Alfred: Ja in der Tat, da hast Du schon recht. Mit 45 denkt man noch nicht so weit in die Zukunft. Rente und Altersgebrechen sind noch zu weit weg und man ist ja noch richtig im Saft wie man auf den Bildern erkennen kann. Zu deiner Frage, also in 10 Jahren, mit 55 Jahren, würde ich....
1. genau da sein wollen, wo ich heute bin und mich mit dem afrikanischen Alltag auseinandersetzen, im Positiven wie auch im Negativen.
2. vielleicht ein wenig kürzer treten und eine Ungerade auch mal Gerade sein lassen. Das fällt mir nämlich in meinem jugendlichen Leichtsinn immer etwas schwer.

Langsam kann ich mir sogar schon vorstellen, irgendwo in den bayerischen Bergen an meinen Memoiren zu schreiben.  In etwa so:
Eine Pfeife im Mundwinkel, der Hund zu den Füßen mit den spielenden Kindern, eine fürsorgende Frau im Rücken und den Blick in die Ferne gerichtet. Dorthin, wo ich einmal war!
(Denn die Sehnsucht ist wie ein warmer Wind, der sich am Horizont verliert)

N: Memoiren, ein gutes Stichwort. Über was würdest du denn schreiben?

Alfred: Ich hatte die Möglichkeit durch meine Arbeit viel herumzukommen. Das hatte ich eigentlich nie geplant. Auf Vieles habe ich dabei verzichtet, auf manches vergeblich gewartet, aber es gab/gibt auch einige Augenblicke und Momente, die sehr nahe an das Wesentliche im Leben herankommen. Die den Kern der Dinge berühren. Das sind die Begegnungen mit Menschen.
Für diese Begegnungen bin ich dankbar und darüber würde ich wohl schreiben. In jedem Menschen entdeckt man nämlich etwas wunderbar Einzigartiges.


N: Manche Leute empfinden die Arbeit in Afrika als vergeblich, reine Zeitverschwendung und würden dir vorschlagen, mal lieber etwas Richtiges zu tun. In Deutschland gibt es schließlich auch genug Elend. Was sagst du diesen Menschen?

Alfred: Das kommt meist von Menschen, die nie in Afrika oder anderen Kulturen gelebt haben. Die sich ein Leben außerhalb ihres Radius nur schwer vorstellen können. Und Ja, manchmal denke ich  auch wie Jene. Immer wieder diese Kriege, Hunger, Seuchen, Korruption und Naturkatastrophen. Alles was man aufbaut, geht erst einmal wieder den "Bach runter".
Wäre es nicht besser so zu handeln, wie Andrew Mwenda der populäre ugandische Journalist sagt:
"Alle ausländischen NGOs sollen das Land verlassen, damit wir, auch wenn alles zusammenbricht, das Land endlich selbst aufbauen können!"
Da ist was dran! Nur könnten wir das? Einfach nur zusehen? Widerspricht das nicht all unseren eingeimpften Werten? Überhaupt nicht einfach, das zu beantworten.
Auf der anderen Seite erinnert es mich an meine Zeit in der Drogenentgiftungsstation für junge Erwachsene. Die Wenigsten schaffen es für immer clean zu bleiben, aber sie probieren es doch immer wieder und wieder. Für einige aber führt es tatsächlich zu einem Neubeginn im Leben.
Und auch für die Rückfälligen bleibt  diese Zeit meist in positiver Erinnerung.
Nur das letztendlich zählt! Verstehst Du? Es gibt den schoenen Slogan "Hilfe zur Selbsthilfe".
Das trifft auf Individuen zu und auch auf Laender. Manche schaffen es, manche nicht und manche erst spaeter. Aber Hilfe sollten wir immer anbieten.

N: Warum gerade Afrika? Hattest du nie Bestrebungen auch in Asien an einem Projekt teilzunehmen?

Alfred: Ich hatte einmal ein Angebot nach Brasilien zu gehen. Das hat sich aber wieder zerschlagen. Hätte ich mir gut vorstellen können. Es kommt wie's kommt.
Man kann es mit der Liebe vergleichen.  Die erste Liebe prägt fürs Leben und vergisst man nie.
So spricht man ja oft vom Afrika-Virus, der einen nicht mehr loslässt. So ist es wohl. Man sucht sich kein Land aus. Man wird gesucht. Und lässt sich finden.

N: Das hast du schon gesagt. Afrika ist jedoch groß und facettenreich. Welches Land würdest du in Afrika noch gerne kennenlernen? Und warum?

Alfred: Ich habe da keine besonderen Wünsche mehr. Tanzania, Rwanda, Sued-Sudan und Uganda - diese habe ich kennengelernt. All diese Länder haben ihre eigene Schönheit in der Landschaft und in den Menschen.
Halt!!! Äthiopien wäre noch interessant mit seiner alten Religion und den Hochplateaus und vielleicht eine Insel, die Komoren. Aber nur für eine Reise...

N: Wie du bereits vorhin schon durchblicken lassen hast, spielst du mit dem Gedanken nach Deutschland zurückzukehren. Wir stellst du dir deine (endgültige) ideale Rückkehr nach Deutschland vor? Und wie vermutest du, wird sie wirklich?

Alfred: Ich denke, es wird ein holpriger Start werden. Deutschland ist für mich inzwischen ein Urlaubsland geworden und ich genieße dort die Strukturen, Standards und das Funktionieren der Regeln. Sei es im Verkehr oder in den Ämtern. Der Alltag wird anders sein, da mache ich mir keine Illusionen.
Gut könnte ich mir eine Arbeit mit Flüchtlingen in Deutschland vorstellen.
So bliebe ich Afrika weiterhin verbunden, aber auch wieder mit Drogenabhängigen oder in der Palliativmedizin zu arbeiten, wäre eine Option.
Je länger man weg ist, desto schwieriger wird es, sich wieder zurecht zu finden. Gott-sei-Dank habe ich noch 10 Jahre Zeit...

N: Vielleicht hat einer der Leser/innen bereits ein passendes Jobangebot für dich. Wer weiß?

(Alfred: Es kommt wie's kommt.)

Gehen wir nochmal zurück zum Thema Begegnungen mit Menschen und Kulturen. Du darfst den Menschen aus Ococia einen Gegenstand aus München übergeben? Welchen und warum?

Alfred: Eine bayerische Uhr, die rückwärts läuft! In Afrika laufen die Uhren anders, aber Stress ist leider auch hier am Zunehmen. Der Ausspruch "Der Westen hat das Wissen, aber wir (Afrika) die Zeit", stimmt so nicht mehr. Handy, Laptop, Smartphone, Television, das sind alles Zeitbeschleuniger.
Die wenigsten Afrikaner können sich dem noch entziehen.
Den Ugandern möchte ich somit sagen, besinnt euch auf eure Traditionen und macht nicht alles mit, was wir machen. Da ist auch viel Unsinn dabei!! Aber ich sprech mich leicht. Zeit ist ein teures Gut und ein Luxus, den man sich leisten sollte.

N: Jetzt umgekehrt - Ein Gegenstand aus Ococia, den du den Menschen in München mitbringen möchtest. Welchen und warum?

Alfred:(grinst) Sandalen aus Autoreifen!
Was bei uns in Europa weggeschmissen wird, daraus wird hier noch etwas Brauchbares und Praktisches gemacht. Die sind zwar nicht sehr bequem, aber nützlich. Und es setzt ein Zeichen gegen Verschwendung und Konsumrausch. Die Welt wird globaler und auf Dauer sollten wir uns wieder mehr auf die Natur einlassen. Demütiger werden und dankbarer, in allen Dingen.
Da bin ich ausnahmsweise mit dem Papst einer Meinung! Oder zweier! ;-)


Jetzt reichts. Nix fuer unguat! Euer Alfred  

Zum Schluss noch einige für sich sprechende Eindrücke eines imposanten Abends: