Mittwoch, 25. April 2018

Kinder haften für ihre Eltern!



Diesen Spruch hatte ich als Zwoelfjaehriger an meiner Zimmertuere haengen.
Gedacht als Eintrittsverbot fuer Erwachsene in mein kleines Reich oder doch zumindest als Warnung, dass bei uebertreten der Tuerschwelle nun andere Regeln gelten als bisher. Aus heutiger Sicht wohl kein besonders origineller Spruch mehr, der aber jetzt nach 43 Jahren ploetzlich wieder Gueltigkeit bekommt.

2012 wurden Truus und ich von SoFiA (Sozialer Friedensdienst im Ausland) angefragt ob es die Moeglichkeit gibt, dass junge Freiwillige fuer 1 Jahr zu uns kommen um ein Auslandsjahr zu absolvieren. Anfangs waren wir sehr skeptisch ob unser Platz in Ococia der Richtige ist fuer junge Leute unter 20 Jahren.
Muss man doch hier auf einiges verzichten, was in Europa zum Standard gehoert. Die Unterkunft ist bei den Schwestern und beim hiesigen Pfarrer,
es gibt keine Waschmaschine, zum Essen gibt es lokale Nahrungsmittel, Essenszeiten sind meist sehr spaet, der „Italiener kurz um die Ecke“ , ist hier 400 km entfernt.  Fernsehen ist so gut wie nicht, Kommunikation per Internet schwierig. Dusche gibt es auch nicht, sondern man bedient sich einer Flasche die man schwallartig ueber sich gießt... und so lassen sich die Aufzaehlungen noch um einiges verlaengern. Ganz zu schweigen davon, dass Kinder hier noch wie bei uns vor 50 Jahren mit „strammer“ Hand und gelegentlichem Stockeinsatz erzogen werden. Auch dass laesst einen nicht ungeruehrt.  

Fuer einige Wochen waere dieses „Aussteigerprogramm“ sicherlich ganz reizvoll, aber fuer 13 Monate? Fuer diese Generation von Kindern, die man gemeinhin als ueberbehuetet und netzwerksuechtig  bezeichnet? Wir hatten hier ein ganz grosses Fragezeichen!


Lilli beim Wasserholen

Wir haben uns schliesslich auf dieses Experiment eingelassen und waren letzten Endes selbst erstaunt und ueberrascht vom Ergebnis. Jeder einzelne Freiwillige war eine Freude an sich. Ob Patricia, Kathrin, Lea, July-Anne, Lilli oder Michael. So schwierig manche Situationen waren, und da gab es etliche, alle haben es auf ihre ganz eigene Art und Weise gemeistert und mit Sicherheit haben die meisten einen Teil ihres Herzens hier gelassen. 

In der Zoologie spricht man in der Regel von Metamorphose wenn sich die Larvenform in das Adultstadium umwandelt.  Eine Kaulquappe zum Frosch. Eine Raupe zum Schmetterling.  Eine Umwandlung von einem Zustand in einen anderen. Und ich denke, dies ist durchaus auch auf den Menschen uebertragbar. Vor allem auf die jungen Menschen, die zu uns kommen. Sie durchleben eine Metamorphose oder vielleicht noch besser ausgedrueckt eine Reifung ihrer Persoenlichkeit, die so weit gehen kann, dass sich manche Eltern verwundert die Augen reiben, wenn sie zu uns auf Besuch kommen. 
Dies geschieht meist nach 7 Monaten oder am Ende des Jahres. Der Besuch des Kindes wird dann gleichzeitig fuer eine Ugandarundreise genutzt. Das ist dann fuer uns beiden „Alten“ dann sehr schoen zu erleben, wenn es heisst:  Kinder haften fuer ihre Eltern!

Denn zu dieser Reifung, welche die Eltern gar nicht miterleben konnten, gehoert nun auch die Uebernahme von Verantwortung fuer die Eltern, die das nun wiederum ueberhaupt nicht gewohnt sind. Zuerst sich straeubend, dann aber nach und nach willig sich dem ehemaligen Kinde zu ueberlassen und darauf zu vertrauen, dass die ehemaligen Zoeglinge sich eben besser auskennen, besser organsieren  und die Eltern auch an die Hand nehmen koennen. Ein sogenannter „Eye opener“ fuer beide Seiten. 

Michael mit seinen Eltern und einem Guide bei den Sippi Falls

Vielleicht sollte ich dieses alte Plakat wieder „ausgraben“ und hier an der Haustuere aufhaengen.  Sodass die Eltern, wenn sie denn auf Besuch kommen, gleich wissen, dass sich die Regeln etwas geaendert haben!