Montag, 3. Oktober 2016

Au Backe....Zahnarztbesuch

Hier wird noch alles von Hand gemacht


Luftpuster, Behandlungslampe, Absauganlage und nicht zuletzt ein verstellbarer Behandlungsstuhl – auf der Liste, der für eine zahnärztliche Behandlung unbedingt notwendigen Materialien, hätten wir noch vor zwei Monaten all diese Dinge mit Sicherheit aufgeführt. Und was hatten wir davon in Ococia, Uganda, während unserer Auslandsfamulatur? Ganz genau, wie es die Fragestellung natürlich schon vermuten lässt: Nichts!
Aber ganz der Reihe nach. Wir, das sind Eike, Jonas und Birk, drei Zahnmedizinstudenten der Uni Bonn. Anfang des Jahres beschlossen wir, die heimatlichen Gefilde nicht nur für ein paar Wochen Urlaub hinter uns zu lassen, sondern eine Famulatur im Ausland zu absolvieren. Nachdem die Bewerbungen zunächst wenig vielversprechend waren, kam endlich eine positive Rückmeldung von der Organisation „Dental Volunteers“: Es gäbe ein Projekt in Uganda und wir könnten dort im gewünschtem Zeitraum unterkommen. Nach unserer Zusage galt es nun, Spenden zu akquirieren, Förderungen zu beantragen, die Familie zu beruhigen und nebenbei noch das Semester zu Ende zu studieren. Anfang August war es dann so weit: Mit 180 kg Gepäck verteilt auf 12 Koffer und Taschen ging es in den Flieger, auf ins Abenteuer.
Als wir nach unserer Ankunft in Kampala Truus kennen lernten und ihr unsere Planung für den ersten Tag, durchgetaktet von Frühstück über Einkauf bis zur Fahrt nach Soroti, vorlegten, wussten wir ihr wissendes Lächeln noch nicht zu deuten. Am folgenden Tag jedoch merkten wir: In Uganda ticken die Uhren anders, allein der Einkauf in der nur wenige Kilometer entfernten Apotheke verschlang über eine Stunde in Kampalas ameisenhaufenhaft anmutenden Verkehr und drei weitere, um auf die bestellten Waren zu warten. So konnten wir erst nach einem weiteren Tag in der Hauptstadt unsere Fahrt zum ersten Zwischenziel antreten, dem St. Francis Rehabilitation Centre in Pamba, Soroti, einem Heim für körperlich behinderte Kinder. 

Nach 12 Behandlungstagen und einem Abstecher in den Murchinson Nationalpark fuhren wir mit Truus weiter nach Ococia, um hier unsere Behandlung aufzunehmen. Hatte man in Pamba schon manchmal das Gefühl, in einem abgelegenen Ort zu sein, bekam diese Bezeichnung hier noch einmal eine ganz neue Bedeutung. Nach Verlassen der asphaltierten Straße wurden 45 Minuten lang Schlaglöcher umfahren sowie Sumpflandschaften und Felder passiert, bis dann irgendwann das Schild zum „St. Clare Health Centre“ erschien - „welcome to the bush“, wie Truus uns willkommen hieß.
Nach knapp zwei Wochen eigenständigem Behandeln in Pamba waren wir zuversichtlich, hier unter ähnlichen Voraussetzungen weiter arbeiten zu können. Allerdings zeigte sich schnell, dass wir es nun mit ganz anderen Patienten zu tun hatten. Vorsorgeuntersuchungen gibt es nicht, Füllungen sind unbezahlbar. Dementsprechend faulen kariöse Zähne so lange vor sich hin, bis der Zahnnerv frei liegt und der Zahn gezogen werden muss. Beziehungsweise müsste, denn die meisten haben keinen Zugang zu einem Zahnarzt oder könnten sich auch die Extraktion nicht leisten. Wer schon mal eine Wurzelentzündung hatte, kann sich ansatzweise vorstellen, was für Schmerzen die Menschen hier teilweise dauerhaft aushalten müssen. Anders als in Deutschland war eine lange Erklärung, warum eine Extraktion nötig sei, dann meist gar nicht gewünscht. Auf die Frage, was ein Zahnarzt denn macht, antworteten die Kinder in Ococia bezeichnenderweise: „Ein Zahnarzt zieht Zähne“. Dementsprechend deckten „Onaituk“ (Mund auf), „Epipil?“ (Schmerz?) und „mam/ryebi“ (Nein/Ja) nahezu alle Eventualitäten ab. Trotzdem waren wir sehr froh, Geoffrey als Übersetzer an unserer Seite zu wissen, um die lange Liste an Patienten schnell abarbeiten zu können. Oft mussten wir trotzdem die Hälfte abends wieder nach hause schicken. Da die Menschen aber teilweise stundenlange Fußmärsche hinter sich hatten um zu uns zu kommen oder sogar ein Motorradtaxi bezahlt hatten, hieß das nicht selten, vor unserem Behandlungszimmer auf dem Boden zu schlafen.

Nach etwa einer Woche kam uns eine kleine Pause dann ganz gelegen: Für den Nachmittag war die Eröffnung der von Truus und Alfred ins Leben gerufenen Schule für geistig behinderte Kinder geplant. Wir wussten nicht so recht, was uns erwarten würde und versammelten uns zunächst zum Gottesdienst und zur Segnung der Schule, bevor es weiter ging zur eigentlichen Feier. Und die lässt sich mit Worten kaum treffend beschreiben. Die authentische, fröhliche Stimmung, die das liebenswerte Durcheinander von kratziger Musikanlage und Stromausfällen, Theaterstücken und Tänzen sowie Gesang und Gedichten ausgemacht haben, kann man nicht mal ansatzweise wiedergeben. Ein Highlight allerdings war die Namensgebung für die neue Freiwillige Julie-Ann, von der hier bestimmt auch bald zu lesen sein wird.
Im Anschluss an das offizielle Programm wurde dann getanzt, Uganda-Style. Wir sind uns bis heute nicht sicher, ob die Freude darüber, dass drei Muzungus bis in die Dunkelheit mit dabei waren oder das Amüsieren über unseren Tanzstil überwog, aber so oder so war es ein spaßiger und unvergesslicher Abend für uns. Einziger Wermutstropfen: Die Sonderrolle, die einem als Europäer immer zuteil wird. Auf den wie für eine Pressekonferenz vorbereiteten Tisch hätten wir gerne verzichtet und uns zu den anderen auf den Boden gesetzt, allerdings hätten wir damit die Menschen vor den Kopf gestoßen und genau das Gegenteil erreicht. Eine Rolle, an die man sich erst mal gewöhnen muss.

Irgendwann war es dann soweit, der letzte Behandlungstag, jedoch nicht ohne morgens noch mit einer bezeichnenden Situation aufwarten zu können: Da wir noch einige der gespendeten Zahnbürsten und -pasten übrig hatten, starteten wir eine kleine Mundhygiene-Schulung für die sich vor unserem Trakt aufhaltenden Kinder. Zunächst handelte es sich um 5 Kids, die nach einer kurzen Erklärung und Nachputzen am Vorführmodell Bürste und Pasta bekamen. Doch dabei sollte es nicht bleiben, binnen Minuten wuchs die Anzahl auf etwa 50 interessierte und staunende Kinder an und nach kaum 15 Minuten musste die Aktion abgebrochen werden, da unser Vorrat erschöpft war und anscheinend das halbe Health Centre „Wind“ von den Gratis Zahnbürsten bekommen hatte.

Der Abschied fiel uns dann nicht leicht, gerne hätten wir mehr geholfen, bei dem ein oder anderen „Pilsener“ oder „Nile Special“ von Truus und Alfred  etwas über ihre Erfahrungen in Afrika gehört und noch mehr Menschen kennen gelernt – aber dafür bleibt dann hoffentlich bei einem nächsten Mal mehr Zeit! Und so verbleiben wir mit dem Spruch, den uns Truus zu Beginn im „So-funktioniert-Uganda“- Crashkurs mit auf den Weg gab und der uns hoffentlich auch die ein oder andere Situation in Deutschland entspannter sehen lassen wird: „Anything works out – somehow“.


Jonas Otim, Eike Opio & Birk Okello
gemütliche Runde

Nach der Arbeit


Es werden ja immer mehr. 

Moskitos jagen...



Voller Tatendrang