Donnerstag, 22. Juni 2017

3 Göttinger "Zahnis" meet Ococia


Yoga Noi! Biaibo?
Wir, eine Gruppe von sechs Zahnmedizinstudenten aus Göttingen, sind im Rahmen einer freiwilligen Auslandsfamulatur nach Uganda gereist, um den Einheimischen kostenlose zahnmedizinische Behandlungen zu ermöglichen. Jedes Jahr werden in Uganda lediglich 8 Zahnärzte ausgebildet, dessen Behandlung sich die meisten Ugander nicht leisten können.
Über den Verein „Dental Volunteers“ wurde uns der Kontakt zu Truus in Ococia vermittelt, die uns sehr in unserem Vorhaben unterstützte. Sie half uns beim Einkauf noch notwendiger medizinischer Materialien in Kampala, organisierte uns dort eine Übernachtungsmöglichkeit und nahm unser Gepäck in ihrem Auto mit bis nach Ococia. Wir selber fuhren mit einem Fernbus und kamen nach 10 Stunden Reise im ländlichen St. Clare Health Centre an.
Kaputt von der Fahrt, waren wir froh und dankbar über eine Mahlzeit und einen Schlafplatz, der sich jedoch nach dem ersten Regen einer langen Trockenzeit, als Termitennest entpuppte. Nach anfänglichem Rumgehüpfe und Abschlagen der an den Beinen hochkrabbelnden Riesenameisen, haben wir schließlich aufgegeben und sind mit den Krabbeltieren um/an uns herum eingeschlafen. Nachdem wir diese Geschichte am nächsten Tag beim Frühstück erzählten, konnten wir alle bereits herzhaft drüber lachen und Truus bot uns sofort einen anderen Schlafplatz an. Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns von Charlotte, Benny und Jule, die in einem Rehabilitation Center in Pamba (Soroti) und im Salem Brotherhood, Nakaloke (Mbale) Kinder und Erwachsene behandelten.
 
An jedem Behandlungstag kamen die Menschen aus der gesamten Umgebung, teilweise kilometerweit zu Fuß, um sich von uns Zähne ziehen oder eine Füllung legen zu lassen und warteten oft stundenlang vor dem Behandlungszimmer. Einer der Krankenpfleger, Geoffrey, wurde uns als Assistent zugeteilt und übernahm neben dem Dolmetschen das Abkochen der desinfizierten Instrumente in einem Drucktopf über einem Holzkohlefeuer, damit wir uns auf die Behandlung konzentrieren konnten.

Instrumentensterilisation
 Oft fanden wir desaströse Gebisszustände vor sowie Resultate von den vorbehandelnden „Dorfzahnärzten“ fehlerhaft durchgeführten Extraktionen, die sich im Laufe der Zeit zu ausgewachsenen Infektionen entwickelt hatten. So wurden wir mit Situationen konfrontiert, denen man hierzulande als Zahnmediziner nur selten begegnet, was interessant und lehrreich war, uns aber auch vor Herausforderungen stellte. Von Fisteln über große Abszesse und Knochennekrosen bis zu unbehandelten Kieferanomalien war alles dabei. Da die medizinische und medikamentöse Versorgung der Region leider extrem mangelhaft ist, hatten viele unserer Patienten keine Möglichkeit, eine ausreichende Antibiose und Weiterbehandlung zu erhalten.  Unsere kostenlose Behandlung war für viele Ugander die einzige Möglichkeit einer zahnmedizinischen Versorgung. 

Dass die Kranken von ihren Angehörigen gepflegt und mit Essen versorgt werden war für uns komplett neu. Ab und zu, wurden wir um Rat gefragt, z.B. bei einem Neugeborenen, das sich nur wenige Tage nach der Geburt apathisch zeigte. Unsere Mühen herauszufinden, was mit dem Kleinen los sein könnte, stoßen sowohl auf Mutter- als auch auf Krankenschwester-Seite auf Unverständnis. „He will be fine.“ war der Satz, den wir oft gehört haben. 
Obwohl wir in unseren Behandlungen quasi auf uns alleingestellt waren, war es überraschend für uns zu sehen, wie routiniert und erfolgreich wir nach kurzer Einarbeitungszeit so viele Extraktionen und große Füllungen unter den schlichten Bedingungen bewältigen konnten.
Verpflegung gab es glücklicherweise reichlich, und so konnten wir uns pünktlich zur Mittagszeit und nach dem Feierabend bei Truus an den gedeckten Esstisch setzen, um wieder Kraft zu tanken. Oft rekapitulierten wir den Tag, sprachen über schwierige Fälle, aber auch lustige Situationen, in denen wir mit Händen und Füßen und wenigen Worten Ateso kommunizieren mussten.

Lektion über Mundhygiene tief im "Busch"
An einem Nachmittag fuhren wir in ein Dorf, in dem Truus sich Kinder ansah, die nach einer missglückten Injektion unter muskulärer Dystrophie in den Beinen litten. Wir nutzten die Gelegenheit, um die Kinder und weitere Dorfbewohner zu „screenen“ und sie über die Mundgesundheit aufzuklären. Über die fremde Zahnbürste freuten sich die kranken Kinder. 

Am Ende der zwei Wochen, die wir in Ococia verbrachten, waren wir dankbar für die Erfahrungen die wir dort machen konnten, aber auch froh, unsere Mitreisenden wieder zu treffen.
Wir mussten Sprach- und Kulturbarrieren überwinden und vor allem viel improvisieren. Spülspritze statt Wasserkühlung, Wattekugel statt Püster, ausspucken statt absaugen. Bei Stromausfall musste der Löffelexkavator zur Kariesentfernung reichen, und wenn der Patientenandrang so groß ist, dass man mit dem Sterilisieren der Instrumente nicht hinterherkommt, lernt man das Raspatorium als Hebel zu nutzen und mit Milchzahn- oder Oberkiefer-Weisheitszahnzangen untere Molaren zu extrahieren. Es war schwer, mit dem großen Patientenandrang umzugehen, den Grat zwischen schnell arbeiten und gewissenhaft bleiben mussten wir erst finden und die Überwindung erbringen, Patienten unbehandelt nach Hause zu schicken, nachdem wir teilweise 8-10 Stunden durchgehend behandelt hatten.
Wir sind dankbar für das Vertrauen, das uns entgegengebracht wurde, die Erfahrungen, die wir sammeln durften, und sind froh, dass wir vielen Patienten Schmerzen nehmen und ein schönes Lächeln schenken konnten. Wie uns bereits in der ersten Woche gesagt wurde: es ist kein „Tropfen auf dem heißen Stein“, auch wenn einem das in diesem medizinisch absolut unterversorgten Land so vorkommt, sondern eher wie ein Tropfen Öl im Meer: es ist nur ein kleiner Teil, bleibt aber bestehen und geht nicht unter.